CAMONDAS auf Reisen: #1 Kolumbien
2009, ein gutes Jahr nach der Gründung von CAMONDAS, ging es für Geschäftsführer Ivo Schaffer auf die erste große Reise in die Ursprungsregionen des echten Kakaos. Zusammen mit seiner Frau Kerstin, die die Entwicklung von CAMONDAS von Anfang begleitet hat und heute die Geschäfte des Onlineshops führt, hatte Ivo Schaffer eine ausgedehnte Tour geplant: Kolumbien – Ecuador – Trinidad – Grenada – Tobago – USA.
Los ging es in Kolumbien, genauer gesagt in der Gegend um Medellín, der zweitgrößten Stadt Kolumbiens nach der Hauptstadt Bogotá. Berühmt-berüchtigt war die Region lange wegen ihrer hohen Kriminalitätsrate im Zusammenhang mit den Drogenkartellen. Der illegale Kokaanbau, Drogenhandel und die damit verbundene tödliche Gewalt halten das Land leider weiter in Atem. Doch Medellín befindet sich im Wandel: hin zu einer pulsierenden, innovativen Metropole, in der die Textil-, Nahrungsmittel- und Tabakindustrie zunehmend wichtige Rollen spielen. Neben Blumen, Bananen und Kaffee gehört der Kakao zu den erfreulichen und auch in Europa sehr geschätzten Exportgütern. Vor allem natürlich, wenn es sich um hochwertigen Edelkakao aus nachhaltigem Anbau handelt.
Das folgende Interview berichtet von den Begegnungen und Beobachtungen von Kerstin und Ivo Schaffer auf ihrer Reise nach Kolumbien im Jahr 2009.
Ines Seifert: Die Reise nach Kolumbien war Ihre erste große Reise nach der Gründung von CAMONDAS im Jahr 2008. Warum Kolumbien, und mit welchen Erwartungen sind Sie dahin gereist?
Ivo Schaffer: Kolumbien war damals ja eine Station von mehreren: Wir reisten nach Ecuador, von da aus nach Kolumbien und danach kamen noch Trinidad, Grenada, Tobago und die USA. Also das war ein richtig großes Abenteuer. Kerstin und ich waren sehr neugierig und gespannt darauf, uns selbst ein Bild vom Kakaoanbau und der Schokoladenproduktion vor Ort zu machen. Wie ist der Weg von der Kakaofrucht zur Schokolade, welche Menschen stehen dahinter und worauf es an kommt bei Anbau und Verarbeitung? Als Fachhändler für die besten Schokoladen aus aller Welt wollten und mussten wir dazu von Anfang an gegenüber unseren Kunden aussagefähig sein.
Ich selbst hatte bis dahin ja eher Erfahrung mit Massenware – da wird über Unterschiede gar nicht gesprochen. Zum Beispiel Kakaoanbau: Ob der gut ist oder schlecht, wird nicht thematisiert. Der findet eben in Ghana oder der Elfenbeinküste statt – wie, spielt keine Rolle. Ich wollte mir vor Ort ein Bild machen, über Gespräche mit den Beteiligten erfahren, worauf es bei der sorgfältigen Arbeit mit Kakao wirklich ankommt.
Mit Kolumbien zu starten war naheliegend, weil eine unserer ersten, wenn nicht sogar DIE erste Schokolade, die wir im Laden am Dresdner Neumarkt verkauften, eine kolumbianische war: von der Marke „Santander“. Die machten damals von weiß bis dunkel hervorragende Schokoladen. Ich erinnere mich an eine weiße mit Kaffee, eine kräftige Vollmilch- und natürlich aromatische dunkle Schokoladen. Sie waren mit 70 g kleiner als die damals üblichen 100 g-Tafeln und sehr schön verpackt mit Kakaofruchtmotiven. Schade, dass es die heute so nicht mehr gibt.
Ines Seifert: Wie haben Sie denn den Aufenthalt dort vorbereitet, und was waren die ersten Eindrücke nach Ihrer Ankunft?
Ivo Schaffer: Der Kontakt zur Fabrik und zur Plantage, die wir besucht haben, kam über den damaligen deutschen Vertriebspartner von „Santander“. Das war das Ehepaar Wiesenhütter. Sehr rührig waren beide, wir trafen sie auf allen einschlägigen Messen und Märkten. Gute Schokolade war 2009 ja noch längst nicht so ein Thema wie heute. Dementsprechend war die Branche sehr überschaubar und die Wege kurz.
Wir kamen also am Flughafen von Medellín an und fanden erstmal alle Klischees erfüllt: Wir durchliefen krasse Drogenchecks von verschiedensten Polizeiabteilungen. Viel wussten wir tatsächlich nicht über Kolumbien, aber die Drogenproblematik war uns natürlich bekannt. Ein wenig war uns schon mulmig bei unserer Ankunft, aber das schlug schnell in Begeisterung um. Die Stadt liegt ja in einem Anden-Tal und wird von beeindruckenden Bergen umgeben. Und sie fühlte sich recht modern und sehr lebensfroh an – voller junger Leute, die etwas Neues aufbauen wollten und dabei neue Chancen jenseits der Einschränkungen der Drogenkartelle und kriminellen Banden suchten.
Ines Seifert: Und dann hat es ja auch gar nicht lange bis zum ersten Zusammentreffen mit den Einheimischen gedauert …
Ivo Schaffer: Genau, es ging ziemlich direkt vom Flughafen zu „Nacional de Chocolates“, eine große Firma, die damals mit Schokoriegeln auf dem Massenmarkt war, aber eben auch mit der Marke „Santander“ hochwertige Schokolade produzierte. Wir wurden dort von zwei leitenden Mitarbeitern durch die Fabrik geführt und waren im Kakaolager das erste Mal sprachlos. Das war wirklich beeindruckend: riesige LKWs, die Türme von Kakaosäcken anlieferten. Dort wurde uns unter anderem richtig bewusst, was für eine immens schwere Arbeit das Bewegen von Kakaosäcken ist. Einer ist immerhin ca. 60 kg schwer.
Sie hatten dort auch ein kleines Museum, in dem wir schwere, alte Maschinen zur Kakao- und Schokoladenproduktion vom Ende des 19. Jahrhunderts sahen: ein Melangeur, eine Kakaobutterpresse, ein Röster und vieles mehr, zum Teil sogar aus Europa. Na und dann haben wir die gesamte Schokoladenproduktion von Santander besichtigt und durften verkosten – cremige Schokoladenmasse direkt aus der Conche.
Ines Seifert: Wie haben Sie sich in Kolumbien eigentlich sprachlich verständigt?
Ivo Schaffer: Hier mit den Mitarbeitern in der Fabrik ging es auf Englisch gut, später auf der Plantage oder auch mit unserem Fahrer ausschließlich auf Spanisch. Ich hatte ja ein halbes Jahr in Mexiko studiert, also war die Sprache kein Problem und hat uns geholfen, einfach zu fragen und so sehr viel von den Menschen vor Ort zu erfahren.
Zum Beispiel fiel uns auf, dass viele Kolumbianer „Santander“ gar nicht kannten. Auf späteren Reisen stellten wir häufig fest, dass die Schokoladen, die aus „ihren“ Kakaobohnen produziert wurden, den Landsleuten nicht bekannt waren. Das hat uns gewundert, aber wahrscheinlich hat das oft einfach den Grund, dass beispielsweise in vielen Ländern Lateinamerikas Kakao traditionell als Getränk und nicht als Tafel genossen wird. Wir haben in Kolumbien gesehen, dass Kakaomasse zu kleinen Bällchen geformt wird und dann bei Bedarf einfach in heißes Wasser oder Milch gerieben wird.
Ines Seifert: Nach der Fabrik fing das Abenteuer Kolumbien dann erst richtig an. Es ging weiter in die Berge, zur Hacienda mit Kakaoplantage in mehr als 1100 Meter Höhe. Erzählen Sie doch mal, wie das ablief.
Ivo Schaffer: Also zunächst mal muss ich sagen, dass wir die Kolumbianer enorm gastfreundlich erlebt haben. Sehr liebenswürdige, herzliche Menschen, die so Vieles für uns möglich gemacht haben: Unsere Fahrt zur Plantage war perfekt organisiert worden, unsere Unterbringung im Gästehaus inklusive toller Verköstigung ebenso. Man hat einfach die Freude darüber gespürt, dass wir zu den ersten Europäern gehörten, die als Händler gekommen waren, um sich die Arbeitsumstände vor Ort anzuschauen und einen Eindruck vom Leben dort zu bekommen.
Wir wurden also in Medellín abgeholt und kamen nach dreistündiger Fahrt am Ziel an. Schon während der Fahrt gab es natürlich viel zu sehen und zu erfahren. Unser Fahrer sagte uns zum Beispiel, dass diese Fahrt keineswegs so selbstverständlich ist. Wenige Jahre vorher wäre sie nämlich nicht möglich gewesen, weil es damals überall Checkpoints von Drogenkriminellen, Rebellen oder der Armee gab, die – ähnlich wie bei „Zollschranken“ – Geld verlangt hätten. Da war uns einmal mehr klar, dass wir wirklich weit weg von Europa waren. Auf der Plantage selbst hatten wir dann das Glück, von Hector, dem Chef der Plantage, persönlich alles gezeigt zu bekommen, was den Kakaoanbau dort ausmacht. Und natürlich hatten wir auch unendlich viele Fragen.
Ines Seifert: Was hat Sie denn am meisten interessiert?
Ivo Schaffer: Ganz ehrlich: einfach alles! Es war ja unsere erste Berührung mit echtem Kakaoanbau. Schon die Bepflanzung der Plantage war spannend: Da waren junge Bäume und ältere. Die jüngeren, sonnenempfindlichen im Schatten von Bananenstauden. Im Gegensatz zu Monokulturen wurden die durcheinander gepflanzt; auch ein paar Criollo-Bäume gab es übrigens zwischen den Trinitarios. Die Kakaofrüchte an sich hatten für mich etwas Magisches – mit all diesen Farben, Größen und weil diese beachtlichen Früchte direkt am Stamm oder an dicken Ästen wachsen. Das hatte ich noch nie zuvor gesehen. Auch dass ein und derselbe Baum gleichzeitig unzählige winzige Blüten und Früchte unterschiedlicher Größe trägt, war beeindruckend. Das gibt es ja so in Europa nicht: Früchte und Blüten zur gleichen Zeit am Baum.
Hector hat uns geduldig alles Wichtige zu Anbau und Ernte, aber auch zu Krankheiten erklärt. Der sogenannte „Hexenbesen“ war auch dort die größte Angst der Kakaobauern. Gegen diesen Pilz ist man wirklich machtlos, er erwischt die gesamte Plantage, wenn er kommt. Und hat ja – wie ich im Laufe der Jahre mitverfolgt habe – schon ganze Jahresernten oder gar Baumbestände zunichte gemacht. Ein Behältnis mit chemischem Inhalt zur Bekämpfung von Schädlingen oder Pilzen habe ich übrigens auf der ganzen Plantage nicht entdeckt, auch nicht in abgelegenen Ecken …
Ines Seifert: Umso mehr Spaß hat dann sicher das Verkosten gemacht, oder?
Ivo Schaffer: Auf jeden Fall. Und zwar nicht nur uns: Auch Hector war aus vollem Herzen dabei und hatte richtig Freude daran, Kerstin und mir die erste frische Kakaobohne unseres Lebens „zu servieren“: Die Frucht wurde fachkundig mit der Machete vom Baum abgeschlagen und geteilt. Ich glaube, für ihn wiederum war es total exotisch, dass wir so fasziniert waren – von all den Bohnen in der weißen Pulpa, vom Geschmack des Fruchtfleischs und der frischen Bohne.
Ines Seifert: Können Sie sich noch erinnern, wie Sie den Geschmack beim allerersten Mal fanden?
Ivo Schaffer: Vor allem sehr überraschend. Beim Fruchtfleisch erwartet man etwas eher Faseriges, so wie beim Kürbis vielleicht. Stattdessen ist die Pulpa aber glitschig und sehr saftig. Auch der Geschmack war unerwartet: süß einerseits, aber auch mit einer merklichen Säure, die man wiederum mit keiner Säure, die wir kennen, vergleichen kann. In die Kakaobohne habe ich nur kurz hineingebissen – sie hat eine grüne Note.
Ines Seifert: Die ersten Schritte des Weges der frisch geernteten Bohne hin zu ihrem kakaoigen Aroma haben Sie auf der Plantage ja schließlich auch noch ansehen können.
Ivo Schaffer: Ja, es gab Fermentierungsboxen und eine kleine Trocknungsanlage. Erstere war ganz interessant, weil sie nicht im Stufensystem in die Höhe gebaut war, sondern es war eine längliche Holzbox mit hochziehbaren Zwischenwänden. So konnten die Bohnen von einem „Abteil“ ins nächste geschoben werden, und das flüssige Fruchtfleisch lief nach unten ab.
Die Trocknungsanlage war eine Art riesiges „Schubladensystem“: Die Kakaobohnen lagen auf großen Flächen, die man wie Schubfächer aus einer Kommode abwechselnd ins Sonnenlicht herausziehen konnte. Oder bei Regen eben hineinschieben. Beim Verkosten waren wir ziemlich verblüfft, welche Aromen die Kakaobohnen bereits durch das Fermentieren und Trocknen entwickelt hatten. Und haben dort eben auch begriffen, wie wichtig die sorgfältige Behandlung der Kakaobohnen wirklich schon von Anfang an ist.
Ines Seifert: Das eigentlich Besondere an dieser Plantage kam ja noch: Die Mitarbeiter dort haben sich ja nicht nur um den aktuellen Bestand an Bäumen gekümmert, sondern ebenso um die Zukunft des Kakaoanbaus. Was konnten Sie hier entdecken?
Ivo Schaffer: Ein ganz entscheidender Teil der Plantage war die Aufzuchtanlage. Hier wurden Nachkommen von den besten Bäumen gezogen. Wir haben unzählige kleine Sämlinge gesehen, die später auf verholzte Baumteile gepfropft wurden. So sicherte man sich quasi selbst den Fortbestand der hochwertigsten Kakaopflanzen. Hector und seine Mitarbeiter haben uns das ganz ausführlich erklärt. Faszinierend! Vom kleinen Pflänzchen bis zum ersten Tragen vergehen 5 bis 7 Jahre – gar keine so lange Zeit, wenn man bedenkt, wie fragil die Pflanzen ganz am Anfang sind. Und welche großen, schweren Früchte sie später hervorbringen! Allerdings haben sie ja die kompletten 12 Monate des Jahres bestes, gleichbleibendes Wetter zum Wachsen. Medellín nennt man deshalb ja die „Stadt des ewigen Frühlings“. Und auch wir haben uns in diesem Klima sehr wohl gefühlt.
Ines Seifert: Welche Eindrücke und Erkenntnisse haben Sie von Ihrer Reise zurück nach Dresden mitgenommen?
Ivo Schaffer: In Kolumbien ist mir zum ersten Mal richtig bewusst geworden, wie komplex nachhaltiger und sorgfältiger Kakaoanbau ist und dass er vom Aufwand her im Grunde mit Weinanbau vergleichbar ist. Eine Kakaobohne ist nach der Ernte ja erst ein „Halbfertigprodukt“, in das noch viel Arbeit investiert werden muss, bis man ein aromatisches Ergebnis bekommt. Wenn ein Sack Kakaobohnen für 5 bis 10 Dollar gehandelt wird, wird das der Arbeit der Kakaobauern nicht ansatzweise gerecht, sondern beutet sie letztendlich aus. Die Arbeit, die hinter echter Qualität steckt, wirklich wertzuschätzen, ist von Anfang an einer der wesentlichen Ansätze von CAMONDAS gewesen.
In Erinnerung werden mir natürlich all die herzlichen Begegnungen mit den Menschen vor Ort bleiben, vor allem mit unserem Guide Hector. Am Ende unseres Rundgangs durch die Plantage übergab er mir seine Machete, mit der er schon unzählige Kakaofrüchte abgeschlagen hatte. Das war ein besonders rührender Moment, von dem ich bei Führungen oder Seminaren in unserem Museum in Dresden gern erzähle. Dort hat Hectors Machete auch ihren würdigen Platz gefunden.
Kakao aus Kolumbien in den Regalen von CAMONDAS heute
Auch mehr als 10 Jahre nach Ivo Schaffers Reise hat kolumbianischer Kakao seinen festen Platz im CAMONDAS Sortiment. Vier unserer Lieblingsmarken enthalten hochwertigen Trinitario-Kakao verschiedener kolumbianischer Plantagen: Domori, Michel Cluizel, Francois Pralus und Willie’s Cacao. Die Aromen der kräftigen, dunklen Tafeln reichen von Kaffee, Cashew, Honig bis zu Kirschen und Pflaumen – eine Geschmacksvielfalt, die für die herausragende Qualität des Anbaus und der Verarbeitung des Kakaos spricht.
Unsere Empfehlung
* Die Marke „Santander“ können wir seit einigen Jahren leider nicht mehr anbieten, da es derzeit keinen europäischen Vertrieb gibt.